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Zunftlade zurück in der Heimat

Andreas und Günther Stenglein freuen sich, die historische Zunftlade nun in Familienbesitz zu haben.

Seit März 2024 ist eine historische Zunftlade wieder zurück in ihrer Heimat, wo sie einst gefertigt und genutzt wurde. Günther Stenglein, Obermeister der Zimmerer-Innung Kulmbach und Kreishandwerksmeister der Region, hat das besondere Stück von seiner Familie zum Geburtstag bekommen. Im Rahmen des Festes zum 250-jährigen Jubiläum der Firma Stenglein konnten auch andere Innungsmitglieder die Zunftlade bewundern und sich über die Bedeutung des Gegenstandes informieren.

Günther Stenglein nennt es einen „spektakulären Umstand“, dass er nun knapp 235 Jahre nach dem sein Vorfahre Johann (Georg) Stenglein als Zunftmeister der Zimmerer die Zunftlade in Besitz hatte, selbst Obermeister der Zimmerer-Innung Kulmbach ist. Die Zunftlade stammt aus dem Jahr 1791 und wurde mit dem Monogramm „JS“ versehen. Es ist davon auszugehen, dass Johann (Georg) Stenglein das gute Stück also auch selbst angefertigt hatte.

Dass die Zunftlade nun wieder in ihrer oberfränkischen Heimat angekommen ist, verdankt Familie Stenglein einem Steinmetzmeister und Sammler von Memorabilia. Uwe Schön hatte „die Truhe“ vor einigen Jahren gekauft und stieß bei seinen Recherchen auf die Zimmerei Stenglein. So fand mit der Zunftlade und Familie Stenglein zusammen, was zusammengehört.

Günther Stenglein ist stolz auf die Tradition des Handwerks und die Historie seiner Familie und Firma. 1774 wurde die Zimmerei Stenglein bereits gegründet – durch eben jenen Johann (Georg) Stenglein. Heute ist dem Familienbetrieb, der mittlerweile in der neunten Generation von Günther Stengleins Sohn Andreas geführt wird, eine Kombination aus Tradition und Moderne sehr wichtig. Andreas Stenglein stellt nach und nach alle Prozesse auf den Prüfstand, um die Zimmerei stetig weiterzuentwickeln. Doch gleichzeitig möchte er die Tradition ehren – dafür steht nun sinnbildlich die historische Zunftlade, die er gemeinsam mit der Familie seinem Vater Günther zum Geburtstag geschenkt hat. Doch was ist eigentlich eine Zunftlade?

Auch wenn Stengleins Truhe aus Eichenholz mit den Maßen 45 x 80 x 45 cm wirklich hübsch und dekorativ aussieht, war eine Zunftlade keineswegs nur ein schönes Möbelstück. Sie hatte zudem eine wichtige Funktion innerhalb des Zunftlebens.

Zum einen war sie ein Verwahrmöbel der Zunft, die darin wichtige Dokumente und Wertobjekte aufbewahrte. Dazu gehörten die von der Obrigkeit gewährten Privilegien, die Zunftbücher mit Artikeln, Statuten und Namensverzeichnissen, außerdem das Geldvermögen, die Siegelstempel und alles weitere, was zum Wertbesitz der Zunft gehörte wie beispielsweise Becher, Pokale und Schenkkannen aus Zinn oder Silber.

Zum anderen spielte die Zunftlade bei Versammlungen und Zeremonien eine besondere Rolle. Wurde sie geöffnet war den Anwesenden das Trinken, Gebrauch unflätiger Worte, Karten- und Würfelspielen verboten. Waffen waren abzulegen. Alle wesentlichen Angelegenheiten innerhalb der Zunft wurden bei geöffneter Lade besprochen. Streitigkeiten geschlichtet, Lehrburschen freigesprochen und Gesellen zum Meister gemacht. Das Schließen der Zunftlade bedeutete das offizielle Ende einer ordentlichen Versammlung.

Mehrere Meister hatten je einen Schlüssel und konnten die mehrfach gesicherte Lade nur gemeinsam öffnen. So war der Inhalt maximal geschützt und Veruntreuung ausgeschlossen. Im Fall der Lade von Günther Stenglein gibt es ein Hauptschloss im Deckel und zwei seitlich angebrachte Schließöffnungen.

Aber natürlich hat es auch einen Grund, dass die Truhen so aufwendig gestaltet wurden. Die Lade versinnbildlichte das Prestige und die wirtschaftliche Potenz des Handwerks, seine Ehrbarkeit und Reputation. Für die Laden wurde möglichst wertvolles Holz verwendet und dieses nach seiner Verarbeitung mit Schnitzereien und Intarsien außen und innenverziert. Auch das Zunftwappen durfte nicht fehlen.

Im Fall der vorliegenden Zunftlade war neben einem Steinmetzwappen, weshalb der vorherige Besitzer Uwe Schön sie ursprünglich erworben hatte, auch ein Zimmererwappen eingearbeitet. Außerdem sind das Stiftungsjahr 1791 sowie die Namen von vier Zunftmeistern verewigt: Schmit, Meier, Liemmer und Stenglein. Der letzte Name brachte dem Sammler im Rahmen seiner Recherchen schlussendlich den Erfolg. Im Internet stieß er auf die Zimmerei Stenglein. Der Rest ist Geschichte.

Uwe Schön (2.v.l.), Vorbesitzer der Zunftlade, ließ sich eine Einladung zum 250-jährigen Jubiläum der Firma Stenglein nicht nehmen. Gemeinsam mit Frau und Tochter besuchte er Andreas (l.) und Günther Stenglein in Oberfranken.

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